Blickpunkt Asia Pacific, Newsletter 05/2011
Von Renate Villing
国家建立健全同经济发展水平相适应的社会保障制度
»Der Staat errichtet und vervollständigt ein Sozialversicherungssystem, welches dem Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht.« Zusatz zu Artikel 14, der im Zuge der Verfassungsänderung 2004 in die Verfassung der VR China aufgenommen wurde.
»Der Staat errichtet und vervollständigt ein Sozialversicherungssystem, welches dem Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht.« Zusatz zu Artikel 14, der im Zuge der Verfassungsänderung 2004 in die Verfassung der VR China aufgenommen wurde.
„ Nach fast zwei Jahrzehnten der Konsultation tritt das lange erwartete neue Sozialversicherungsgesetz, welches am 28.10.2010 erlassen wurde, nun am 1. Juli 2011 in Kraft. Es regelt
- fünf Arten der Sozialversicherung. Dies ist
- ein historischer Meilenstein, denn bislang basierte das Sozialversicherungssystem der VR China ausschließlich auf einzelnen Bestimmungen und Vorschriften, welche vorwiegend auf lokaler Ebene erlassen wurden. Das Gesetz garantiert einen
- Rechtsanspruch auf eine flächendeckende Grundsicherung. Angestrebt wird ein einheitliches Sozialversicherungssystem, das
- für die städtische und ländliche Bevölkerung gleichermaßen Gültigkeit hat. Hierzu müssen verschiedene Systeme zusammengelegt werden und Leistungsansprüche gegenseitig anrechenbar gemacht werden.
- Die Altersgrundsicherung soll bereits bis 2015 für das ganze Land realisiert sein. Für das neue Sozialversicherungsgesetz haben
- europäische und insbesondere deutsche Regelungen Pategestanden…
In der VR China ist die Sozialversicherung, wie in Deutschland, in fünf Zweige eingeteilt…
- Rentenversicherung
- Krankenversicherung
- Arbeitslosenversicherung
- Betriebliche Unfallversicherung
- Mutterschutzversicherung
Die Versicherungsbeiträge der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung werden von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemeinschaftlich aufgebracht, wobei der
- Arbeitgeber die weitaus größere Beitragslast trägt. Die Beiträge der Betrieblichen Unfallversicherung und Mutterschutzversicherung werden vom Unternehmen alleine getragen.
- Bemessungsgrundlage ist das Bruttogehalt. Die jeweiligen Sätze werden von den einzelnen Städten und Gemeinden festgelegt und weisen
- regional extrem große Unterschiede auf…“
Nach dem Ende der internationalen Krise sind die Löhne in der VR China rasant angestiegen… Im Durchschnitt mussten Unternehmen 2010 ihren Arbeitern 20% mehr als im Vorjahr zahlen. Für 2011 und 2012 rechnen sie mit ähnlich hohen Zuwächsen. Zudem dürften die
- Lohnnebenkosten steigen. Zum 1.7.11 tritt das erste
- Allgemeine Sozialversicherungsgesetz Chinas in Kraft. Es ersetzt die bislang separaten Vorschriften zur
- Renten-, Kranken-, Arbeitsunfalls-, Mutterschafts- und Erwerbslosenversicherung…
Quelle: Guangzhou Government, Guangzhou Kai Tong Law Firm
Arbeitgeber ArbeitnehmerRentenversicherung
Ausländischer Direktinvestor 20,0 8,0
staatliches Unternehmen 18,0 8,0
privates einheimisches Untern. 12,0 8,0
Krankenversicherung 8,0 2,0
Arbeitsunfallversicherung
Servicesektor 2,0 0
Industrie 1,0 0
Landwirtschaft 0,5 0
Arbeitslosenversicherung 2,0 1,0
Mutterschaftsversicherung 1,0 1,0
Der Beitrag des Arbeitnehmers fließt in einen Fonds mit „Individualkonten“, der Beitrag des Arbeitgebers dagegen in einen Sozialfonds. Kommt der Arbeitnehmer ins
- Rentenalter (Frauen mit 55, Männer mit 60) werden die Renten zunächst aus dem „Individualkonto“ ausbezahlt. Wenn dieses Geld aufgebraucht sein sollte, bestehen weitergehende Rentenansprüche aus dem Sozialfonds, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass mind. 15 Jahre lang Beiträge eingezahlt wurden. Die Renten aus dem Sozialfonds sind sehr niedrig, da Gelder aus dem Sozialfonds allen zustehen, die während ihres Arbeitslebens in das System eingezahlt haben. Dies ist die sog.
- Grundsicherung, die erste Säule eines „Drei-Säulen-Systems“. Die zweite ist eine
- freiwillige zusätzliche Betriebsversicherung, die dritte die Möglichkeit, über kommerzielle Anbieter eine
- private Zusatzrente zu erwerben.
- Die erwerbstätige Bevölkerung muss für die ältere Generation und auch für ihre eigene künftige Rente aufkommen… Mit der Überalterung der Bevölkerung erhöht sich die Zahl der Rentner stetig…
Krankenversicherung (医疗保险 – yiliao baoxian)
Im Danwei-System der Staatsbetriebe führten die kostenfreie medizinische Versorgung und die Monopolstellung der fest zugeteilten Krankenhäuser zu Verschwendung und ausufernden Kosten, welche weit über der Wachstumsrate des BIP lagen. Infolgedessen wurde das Modell einer Basiskrankenversicherung konzipiert… Die Beiträge sind wie folgt aufgeteilt: die Betriebe führen
- 8% der Gesamtlohnsumme ab (70% auf das Sozialkonto und 30% auf das Individualkonto der Versicherten). Die
- Arbeitnehmer zahlen 2% auf ihr Individualkonto…
Arbeitslosenversicherung (失业保险 – shiye baoxian)
Erst seit der Einführung von Arbeitsverträgen und der Kündigungsmöglichkeit im Jahr 1986 gibt es in China offiziell das Phänomen der Arbeitslosigkeit (失业 shiye), bis dahin sprach man von „Auf-Arbeit-Wartende“ (待业 daiye)… Nach einer Mindestbeitragsdauer von einem Jahr, kann ein Arbeitsloser Ansprüche auf Arbeitslosengeld geltend machen. Die Bezüge sind gering.
Betriebliche Unfallversicherung (工伤保险 – gongshang baoxian)
Die Höhe der Beiträge bemisst sich nach der Art der Tätigkeit. Je nach Gefährdungsgrad liegt der Beitrag zwischen 0,4 und 2 % des Bruttolohns.
Mutterschutzversicherung (生育保险 – shengyu baoxian)
Im Falle der Mutterschaft erhält die Beschäftigte von der Versicherung eine Pauschalsumme für die Entbindung und Lohnersatzleistungen in Höhe des ursprünglichen Gehaltes.
Der zunehmenden Mobilität der Gesellschaft wird nun Rechnung getragen, indem von nun an der Ort der Einzahlung in einen Sozialversicherungsfonds mit dem Ort der Inanspruchnahme auseinanderfallen kann.
Bislang gingen bei Arbeits- oder Wohnortwechsel bereits erworbene Versicherungsansprüche verloren. Nun werden die Jahre addiert, in denen in unterschiedlichen Städten in das Versicherungssystem einbezahlt wurde, um festzustellen, ob die Mindestgrenze von 15 Jahren für Rentenansprüche erreicht ist.
Von dieser Neuregelung, um die lange gerungen wurde, profitiert vor allem
- die große Masse der Wanderarbeiter, die nun ihre in den Städten erworbenen Versicherungsansprüche aufs Land transferieren können, aber auch der
- städtische Beschäftigte, der seine in einer anderen Stadt erworbenen Leistungsansprüche mitnehmen kann….
- In China arbeitende Ausländer unterstehen von nun an dem chinesischen Versicherungssystem, falls keine vorrangigen zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen zur Anwendung kommen.
Eine unzureichende bzw. fehlende Gesetzgebung ermöglichte es den Betrieben bislang, sich nicht an der Solidargemeinschaft zu beteiligen… Das neue Sozialgesetz versucht, Mißständen zu begegnen, indem rechtzeitige Beitragszahlungen durch
- Zuschläge (0,2% bis 0,05% des geschuldeten Betrages, pro Tag) und
- Strafgebühren (für den Arbeitgeber bis zum Dreifachen des ausstehenden Betrages und für den zuständigen Sachbearbeiter 3000 RMB) erzwungen werden…
Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten
Einer der wichtigsten Standortfaktoren Chinas war bis vor einigen Jahren zweifellos der
- Kostenvorteil bei den Löhnen. Heute trifft das nicht mehr unbedingt zu, insbesondere nicht für die Metropolen an der Ostküste. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Dezan Shira liegt das durchschnittliche Jahresgehalt eines Arbeiters in der VR China derzeit bei 1500 US-$,
- plus ca. 50% Lohnnebenkosten, also 2250 US-$. Damit belegt China bereits heute einen der
- vorderen Plätze im asiatischen Vergleich.
Das neue Sozialversicherungsgesetz wird möglicherweise zu höheren Lohnnebenkosten führen. Einem künftigen Investor wäre zu empfehlen, die künftige Entwicklung im Auge zu behalten und vor allem
- regionale Vergleiche anzustellen. Derzeit betragen die akkumulierten Sozialversicherungsbeiträge incl. des Eigenheimfonds in den Metropolen
- Beijing oder Shanghai rund 44%, während diese in einigen
- Städten Südchinas bei 18% liegen.
Fazit und Ausblick
Im Zielkonflikt zwischen der Schaffung einer gerechten Grundsicherung für einen möglichst breiten Teil der Bevölkerung und der prioritären Förderung wirtschaftlicher Produktivität setzte die Regierung den Fokus zunächst auf ein schnelles Wirtschaftswachstum. Zunehmend entwickelt sich allerdings das Verständnis dafür, dass mit der wirtschaftlichen Entwicklung die soziale einhergehen muss, um das wirtschaftliche Wachstum langfristig nicht aufs Spiel zu setzen. Das neue Sozialversicherungsgesetz ist das erste umfassende Gesetz der VR China im Bereich der Sozialen Sicherheit. Die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes liegt weitgehend im Ermessen der lokalen Regierungen…“
Von großem öffentlichen Interesse:
Das ist gut für die Welt!
Frankfurter Allgemeine Zeitung
17. Nov. 2011
Von Christian Geinitz
„ China hat es nach eigenen Angaben geschafft, die Armut unter seiner Landbevölkerung in den vergangenen zehn Jahren um weit mehr als zwei Drittel zu verringern.
- 2001 hätten noch 94,2 Millionen Personen unter der nationalen Armutsgrenze gelebt,
- 2010 seien es 26,9 Millionen gewesen, heißt es in einem Bericht, den die Regierung am Mittwoch in Peking vorlegte. Insgesamt hat China
- 1,34 Milliarden Einwohner. Mehr als
- 67 Millionen Personen seien aus der Armut geholt worden, das entspreche der Gesamtbevölkerung Frankreichs. China habe fast die Aufgabe gelöst, die gesamte Landbevölkerung mit einem angemessenen Auskommen, mit Nahrung und Kleidung zu versorgen, schreiben die Autoren des
- "Weißbuchs zur Armutsverringerung in ländlichen Gebieten". Auf diese Weise erfülle das Land
- vorzeitig das "Millenniums-Ziel" der Vereinten Nationen, den im Elend lebenden Bevölkerungsanteil zu halbieren.
"China leistet einen großen Beitrag zu den Anstrengungen in der internationalen Armutsbekämpfung", lobte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Sie erinnerte aber daran, dass dieverbliebene Zahl von Armen noch immer der Bevölkerung von Texas entspreche, dem zweitgrößten amerikanischen Bundesstaat. Ähnlich viele Einwohner wohnen in Bayern und Baden-Württemberg zusammengenommen...
China lässt sich die Armutsbekämpfung einiges kosten. Die Zentralregierung und die Kommunen haben dafür nach den Angaben in dem Bericht im vergangenen Jahr fast 35 Milliarden Yuan (302 Millionen Euro) ausgegeben. Vor zehn Jahren lag der Wert nur etwa ein Drittel so hoch. Es fließe auch
- viel internationale Hilfe, hieß es. Seit Anfang der neunziger Jahre hätten ausländische Geber 1,4 Milliarden Dollar (eine Milliarde Euro) für die Armutsbekämpfung bereitgestellt, wovon 20 Millionen Chinesen profitiert hätten.
- Das Armutsbekämpfungsprogramm konzentriert sich nach diesen Angaben auf etwa 600 Schlüsselregionen. Dort seien zwischen 2002 und 2010
- Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen mit einer Fläche von 35 Millionen Quadratmetern gebaut worden. Annähernd
- 98 Prozent der Kinder im Alter zwischen sieben und 15 Jahren gingen dort jetzt zur Schule. Die
- Analphabetenrate unter der jungen und mittelalten Bevölkerung sei seit 2002 von 12,4 auf sieben Prozent gesunken. In dieser Zeit habe man
- 57 Millionen Personen Zugang zu Trinkwasser verschafft,
- 61 Prozent aller Haushalte hätten heute Leitungswasser. In
- 88 Prozent der Dörfer führten Straßen, in
- 98 Prozent gebe es Strom, in
- 93 Prozent Telefonverbindungen.
Alle Rechte vorbehalten © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main
Germany Trade & Invest
31.03.2011
Von Roland Rohde
„ Zum 1. Juli 2011 tritt ein allgemeines Sozialversicherungsgesetzin Kraft. Es wird zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen. Die einzelnen Städte und Kreise können - wie bisher - die Abgabenquote für die Pensions-, Kranken-, Arbeitsunfall-, Mutterschafts- und Erwerbslosenversicherung eigenständig festlegen. Je nach Region kann es daher große Unterschiede in der Abgabenbelastung geben. Nach dem Ende der internationalen Krise sind die Löhne in der VR China rasant angestiegen. Das bekamen vor allem die ausländischen Investoren im südchinesischen Perlflussdelta zu spüren. Im Durchschnitt mussten sie 2010 ihren Arbeitern 20% mehr als im Vorjahr zahlen. Für 2011 und 2012 rechnen sie mit ähnlich hohen Zuwächsen. Zudem dürften die Lohnnebenkosten steigen… Da die lokalen Behörden einen erheblichen Gestaltungsspielraum haben, kann es zwischen den einzelnen Städten erhebliche Unterschiede in der Abgabenbelastung für Arbeitgeber geben. Die Unternehmensberatung Dezan Shira errechnete für 2010 besonders hohe Sätze für Beijing und Shanghai…
Lohnnebenkosten für Arbeitergeber 2010
(Mindestabgabe in % der Bruttolöhne)
Beijing 44,3
Shanghai 44,0
Guangzhou 33,5
Shenzhen 29,7
Quelle: Dezan Shira Unternehmensberatung…
Der Süden ist besonders günstig
Da die lokalen Behörden einen erheblichen Gestaltungsspielraum haben, kann es zwischen den einzelnen Städten erhebliche Unterschiede in der Abgabenbelastung für Arbeitgeber geben. Die Unternehmensberatung Dezan Shira errechnete für 2010 besonders hohe Sätze für Beijing und Shanghai. Hier erreichten die Lohnnebenkosten jeweils 44%. Tendenziell waren die Quoten im Süden des Landes niedriger. In Zhongshan lagen sie sogar unter der 20%-Marke…
Germany Trade & Invest
analysiert regelmäßig die Arbeitsmärkte und hat für die wichtigsten asiatischen Volkswirtschaften jeweils eine länderspezifische Studie "Lohn und Lohnnebenkosten 2010" erstellt. Für die Länder China, Indien, Indonesien, Philippinen, Thailand, Malaysia, Vietnam, Singapur, Hongkong, Japan, Korea (Rep.) und Taiwan finden Sie diese im Internet hier.
17.10.11
19.01.11
Von Christian Geinitz
„ Weil ausländische Arbeitskräfte in China künftig in dieSozialversicherung einzahlen müssen, könnte sich ihre Entsendung deutlich verteuern. Nach Informationen dieser Zeitung rechnen die ausländischen Handelskammern in China mit zusätzlichen Kosten je Arbeitskraft von rund
- 500 Euro im Monat. Das Geld fließt in eine obligatorische Renten-, Arbeitslosen-, Kranken-, Mutterschutz- und Unfallversicherung. Nach Angaben des federführenden Ministeriums für Personalwesen und Sozialversicherungen betrifft die neue Regelung mehr als 230 000 Ausländer. Damit belaufen sich die Zusatzkosten, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebracht werden müssen, auf etwa 115 Millionen Euro im Monat. Andere Schätzungen erwarten sogar bis zu 600 000 Betroffene…
Die EU-Handelskammer hatte im Juni in Schanghai vergeblich versucht, eine freiwillige Beteiligung an der Sozialversicherungdurchzusetzen… Die finanzielle Belastung aus den neuen Versicherungen, die je nach Stadt unterschiedlich ausfallen kann, ist beachtlich. In Schanghai beläuft sie sich auf
- 48 Prozent des zu versteuernden Einkommens, in Peking auf 43 Prozent. Davon trägt der
- Arbeitgeber etwa drei Viertel, den Rest der Arbeitnehmer. Herangezogen werden Monatseinkommen bis maximal 11688 Yuan in Schanghai und 12 603 Yuan in Peking; das sind umgerechnet 1380 und 1488 Euro. Die meisten Entsandten erreichen diese Schwelle. Je Beschäftigten muss der
- Arbeitgeber monatlich 510 beziehungsweise 488 Euro aufbringen. Der
- Mitarbeiter zahlt 152 Euro in die Kasse…. Aus chinesischer Sicht ist das Verfahren folgerichtig, da Chinesen im Ausland ebenfalls der Versicherungspflicht unterlägen. In dem Dekret begründet das Ministerium die Neuerung zudem mit den"legitimen Rechten und Interessen der Ausländer, an der Sozialversicherung teilzunehmen". Ähnlich
- wie in der Besteuerung will man alle Arbeitskräfte gleichstellen, egal woher sie kommen…
Die Deutschen wird die Neuregelung weniger hart treffen als andere. Denn die Bundesrepublik und Südkorea sind die einzigen Länder, die mit China ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen haben, um Doppelbelastungen zu vermeiden…
20.01.2011
Von Finn Mayer- Kuckuk
„ Die südchinesische Industrieprovinz Guangdong führt höhere Lohnuntergrenzen ein. Ab dem 1. März sollen Arbeiter in der Stadt Guangzhou mindestens 1300 Yuan (150 Euro) im Monat erhalten… Andere Provinzen habe ihre Mindestlöhne in den vergangenen Monaten ebenfalls um bis zu zwanzig Prozent hochgeschraubt. Forscher und Unternehmen rechnen nun damit, dass die Löhne weiter rapide steigen. China stehe auch in diesem Jahr vor hohen Einkommenszuwächsen, urteilt die Großbank Credit Suisse in einem aktuellen Bericht. Für 2011 bis 2015 erwarten die Experten Lohnzuwächse von 19 Prozent jährlich. Das gebe auch den Lohnstückkosten Auftrieb, sagt Ökonom Louis Kuijs von der Weltbank. “
31. Mai 2011
von Martin Kaelble und Mathias Ohanian
Die Ära chinesischer Billigproduktion für alle Welt neigt sich dem Ende zu. Immer mehr Firmen in Fernost beklagen steigende Lohnkosten.
- Seit 1999 sind die Löhne in China um über 300 Prozent gestiegen.
Mit dem anhaltenden Preisschub verändern sich die Regeln der Globalisierung.
- Knapp drei Jahrzehnte lang hatte die billige Produktion in Asien diePreise für Konsumgüter und Arbeit weltweit gedämpft. Der Lohndruck in China droht nun auch in den westlichen Ländern den Preisanstieg zu beschleunigen.
"Weltweit wurde die Inflation in den vergangenen Jahren durch Billig-produktion in den Schwellenländern, namentlich China, gedämpft", sagte Bert Rürup, Vorstand der Beratungsfirma Maschmeyer Rürup, der FTD.
Jetzt verliere die Globalisierung zumindest einen Teil ihrer preisdämpfenden Wirkung, sagte der frühere Sachverständige der Bundesregierung…
- Die Lohnerhöhungen sind von Peking politisch gewollt.
- In ihrem letzten Fünfjahresplan hatte die Regierung das Ziel ausgegeben, dass sich Chinas Wirtschaft von den Billigexporten wegentwickeln soll - hin zu einem stärkeren Binnenkonsum.
- Dafür müssen die Löhne steigen.
- Hinzu kommen demografische Probleme des Landes. Weil die Bevölkerung vergreist, droht der Pool an jungen Arbeitskräften zu versiegen. Diese Verknappung treibt ebenfalls die Löhne.
- Für westliche Unternehmen kann der Trend auch Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Zwar liegen die Lohnkosten in Schwellenländern wie China immer noch deutlich niedriger als in den Industriestaaten.
Doch Ökonomen sehen die Kostenvorteile von Schwellenländern schwinden.
- Zudem wandelt sich China vom Export- zum Konsumland. Nach einer Prognose der französischen Bank Société Générale wird sich die städtische Mittelschicht bis 2015 im Vergleich zu 2008 verdoppeln.
- Bis 2020 könnte China der größte Exportmarkt für die Euro-Ländergeworden sein .
Vor allem die südeuropäischen Länder am Rand der Euro-Zone könnten nach Einschätzung von Holger Fahrinkrug, Chefvolkswirt der WestLB, von einem derartigen chinesischen Aufschwung profitieren. Voraussetzung sei aber, dass es diesen Staaten in den kommenden Jahren gelinge, ihre Reformen durchzuboxen und zusätzlich Auslandsinvestitionen anzulocken. Chinas neue Mittelschicht könnte diesem Szenario zufolge künftig verstärkt Güter kaufen, die von den südlichen Euro-Ländern produziert werden. Bereits zwischen 2001 und 2009 hatten die Kleidungsexporte Spaniens nach China mit jährlich weit überdurchschnittlichen 50 Prozent zugelegt. Auch die Ausfuhren von Nahrung, Tabak und Getränken der Euro-Peripherieländer in Richtung China wuchsen in diesem Zeitraum deutlich stärker als andere Exporte."
Asien Kurier
März 2011
Von Achim Haug
„Um rund 9,3 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Region Asien und Pazifik 2010 laut der Weltbank gestiegen…
Neben Hightech-Spezialisten wieSüdkorea, Taiwan undSingapur, die schon lange Hochlohnländer sind, stehen vor allem China, Indien und auchVietnam im Fokus ausländischer Investoren. Doch auch dort steigen die Lohnkosten rasch und nähern sich den schon entwickelteren Volkswirtschaften wie Malaysia und Thailand an. Alle Schwellenländer kämpfen dabei darum, sich in der Wertschöpfung höher zu positionieren. Gleichzeitig steigen aber auch die Lohnkosten. Unternehmen mit arbeitsintensiver Fertigung sind gezwungen, sich nach neuen Produktionsstandorten umzusehen. "China + 1" lautet daher oftmals die neue Strategie und der Zusatzstandort liegt immer häufiger in Süd- oder Südostasien. Länder wie Kambodscha, Bangladesch und Sri Lanka fehlt aber noch das wirtschaftliche Umfeld und die Infrastruktur um ausländische Direktinvestitionen in großem Maße anzuziehen
- Vietnam hat sich zu einem Shootingstar unter den asiatischen Schwellenländer entwickelt und schickt sich an, China zumindest einen Teil der Werkbank der Welt abzunehmen. Da Vietnam allerdings bei weitem nicht das Arbeitskräftepotenzial des großen Nachbarn zur Verfügung hat, steigen bereits die Löhne und die Inflation. Im Wettbewerb um Investoren und Aufträge zählen die im regionalen Vergleich niedrigen Lohnkosten zu den Trümpfen…
- Die zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt China ist in weiten Teilen kein"Billiglohnstandort" mehr. Die einfache Lohnfertigung verlagert sich zunehmend in die inneren Provinzen oder gleich nach Vietnam und Bangladesch. Die Wirtschaftskrise hat dafür gesorgt, dass sich 2009 derZuwachs bei den chinesischen Durchschnittslöhnen mit einem Plus von knapp 12 Prozent erheblich verlangsamte, die geringste Steigerungsrate der letzten zehn Jahre. 2010 stiegen die Lohnkosten aber wieder auf breiter Front, da die Wirtschaft weiter wuchs, der Export brummte und zusätzlich die Mindestlöhne deutlich erhöht wurden. Spektakuläre Arbeitskämpfe bei ausländischen Unternehmen beherrschten die Schlagzeilen mit hohen, häufig zweistelligen Lohnzuwächsen. Qualifizierte Fachkräfte zu finden, bereitet zunehmend Probleme. Selbst Fließbandarbeiter bleiben den Produktionshoch-burgen in Süd- und Ostchina zunehmend fern und versuchen ihr Glück in ihrer Heimatprovinz.
- Indien, das zweite bevölkerungsreiche Schwellenland in Asien, besticht durch seine dynamische Wirtschaftsentwicklung. Ein Großteil neuer Arbeitsplätze entsteht in den Wachstumsbranchen, wie der verarbeitenden Industrie und dem Dienstleistungssektor. Noch hinkt die Arbeitsproduktivität im asiatischen Vergleich aber deutlich hinterher…
- In Thailand stagnierte angesichts der schwachen konjunkturellen Entwicklung der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren… Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung 2010 zog auch die Beschäftigung wieder an. Neben dem Lohn leistet Umfragen zufolge das Schaffen einerfamiliären Kultur einen wichtigen Beitrag zur Mitarbeiterbindung. Thailand besticht im innerasiatischen Vergleich durch eine hohe Beteiligung von Frauen am Arbeitsleben allgemein sowie in Führungspositionen. Der Arbeitsmarkt befindet sich aufgrund der Globalisierung jedoch im Umbruch und traditionelle Konzepte, wie strenge Hierarchien, sind in der Veränderung.
- Japan, Südkorea und Taiwan sind als Hochtechnologieländer schon lange keine preiswerten Standorte mehr. Japan hat die höchsten Arbeitskosten in Asien, Südkorea folgt auf Rang 2…
- Die Sonderverwaltungsregion Hongkong gehört offiziell zu China, die Wirtschaftsordnung bleibt aber eigenständig. Hongkong gilt weiterhin als eine der liberalsten Volkswirtschaften der Welt und ist ein Arbeitgeberparadies. Es gibt keine Gewerkschaften, keine Mindestlöhne, und die Sozialversicherungs-beiträge liegen bei nur 5 Prozent. Eine einmonatige Kündigungsfrist gewährt optimale Flexibili
Globalisierung zähmen und die Früchte ernten.
Bremen im Januar 2007
„ Während die Finanzgeschäfte von Investmentbanking , Versicherungen, Finanzinvestoren, "hedge-fonds" und von "private-equity" blühen und die globalen Konzerne glänzende Gewinne machen, sind die Bürger in den reichen Industrieländern die Geschädigten, die Immobilien-Schulden anhäufen, Kaufkraft, Kreditwürdigkeit, soziale Sicherheit und Arbeitsplätze verlieren.
Das Mindeste sind Mindeststandards und Mindestlöhne . Ein sozialer Ausgleich als Entschädigung für den Verlust von Lebensqualität im Gefolge von neoliberaler Globalisierung wird immer dringender.
Die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländer dagegen gewinnen Millionen Arbeitsplätze, zunehmende Kaufkraft, soziale Sicherheit, technologisches Wissen und häufen immer mehr Reichtum und Währungsreserven an im Zuge einer globalen "new economy" , die sich am Wachstum der Volkswirtschaften orientiert und nicht zuallererst am Profit des Einzelnen.
Die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländer dagegen gewinnen Millionen Arbeitsplätze, zunehmende Kaufkraft, soziale Sicherheit, technologisches Wissen und häufen immer mehr Reichtum und Währungsreserven an im Zuge einer globalen "new economy" , die sich am Wachstum der Volkswirtschaften orientiert und nicht zuallererst am Profit des Einzelnen.
Die wirtschaftlichen und politischen Kraftlinien in der Welt sind dabei, sich zu verschieben, ebenso wie die Wertvorstellungen über ökonomisches Handeln.“
Inhalt:
China GlobalisierungKapitaltransfer TechnologietransferKapitalflucht ArbeitsplatzverlustBretton-Woods IIUSA HandelsbilanzdefizitChina WährungsreservenLiquidität Immobilien SchuldenSchulden USA ReichtumHeuschrecken Hedgefonds Private equityGefährliche UngleichgewichteLeistungsbilanzdefizit
DivisenreserveSchwellenländer EntwicklungsländerChinas WirtschaftswachstumGefahr ChinaRivalität oder Partnerschaft
DivisenreserveSchwellenländer EntwicklungsländerChinas WirtschaftswachstumGefahr ChinaRivalität oder Partnerschaft
www.faz.net
22.11.2011
Von PATRICK WELTER
„ Das Jahr neigt sich dem Ende zu und in Sachen Haushaltssanierung hat das politische Washington versagt. Im Sommer, unter dem Eindruck der drohenden Zahlungsunfähigkeit, hatten Demokraten und Republikaner mit Mühe
- Einsparungen von rund 2 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren beschlossen. Als Kind der Not wurde der
- „Superausschuss“ des Kongresses geboren, der den Sparkurs noch verschärfen sollte. Nicht unerwartet ist auch dieser Versuch einer soliden Haushaltspolitik gescheitert. Die Mitglieder des Ausschusses sind zwar im Glauben vereint, dass man die Fiskalkrise nicht der nächsten Generation aufbürden dürfe. Einigen konnten sie sich dennoch nicht…
- Ausgabenkürzungen von 2 Billionen Dollar über zehn Jahre, die am Ende dieses Jahres als Haushaltssanierung stehen, hören sich nach viel an. Sie sind es nicht. Allein 2012 wird die Bundesregierung fast
- eine Billion Dollar neue Schulden aufnehmen. Tatsächlich wäre noch mal mindestens das Doppelte an Einsparungen nötig, um die Finanzen zu sanieren…
Wie kritisch die finanzpolitische Lage ist, zeigt ein wenig schmeichelhafter
Ausblick des Internationalen Währungsfonds. Danach wird die amerikanische Staatsschuld - einschließlich der Bundesstaaten und Gemeinden - in fünf Jahren mit
- 115 Prozent des BIP diejenige Italiens übertreffen. Dass es an den Finanzmärkte bislang relativ ruhig bleibt, verdankt sich wohl allein der noch größeren Dramatik in Europa. Diese lässt amerikanische Staatsanleihen als kleineres Übel erscheinen…
Der vorherrschenden politischen Rhetorik zufolge scheiterte die Einigung daran, dass die Republikaner sich Steuererhöhungen verweigerten…
Die Steuerfrage ist indes nur politisches Beiwerk im Wahlkampf… Die wahren Probleme im Staatshaushalt finden sich in den
- Sozialkassen und vor allem in der Krankenversicherung. Hier liegt mit der Alterung der Bevölkerung der Sprengsatz, der in den kommenden Jahren die Ausgaben des Bundes in die Höhe schnellen lassen wird…
- Das Scheitern des Superausschusses symbolisiert eine tiefe wirtschaftspolitische Spaltung des Landes. Die Demokraten setzen auf
- mehr Umverteilung und
- so wenig Einschnitte wie möglich in den Sozialleistungen. Das ist eine gefährliche Strategie, weil der
- Defizitabbau durch Steuererhöhungen nur zweitrangig ist und eigentlich die
- stärkere Belastung der Reichen im Mittelpunkt steht. Die
- steigenden Krankenversicherungskosten drohen ferner, jeden Spielraum im Haushalt für andere Aufgaben zu ersticken.
Die Republikaner setzen mit Ausgabenkürzungen, der Reform der Krankenversicherung und der Weigerung zu drastischen Steuererhöhungen dagegen direkt am Defizit an… Dieser Dissens wird sich wohl erst - und nur vielleicht - mit der Präsidentenwahl in einem Jahr entscheiden. Mindestens bis dahin werden die Amerikaner und die Welt auf eine ernsthafte Haushaltssanierung warten müssen. Ach Amerika.
faz.net
22.11.2011
Die Gespräche über den Schuldenabbau in den Vereinigten Staaten sind gescheitert… Die Republikaner und Demokraten im Superausschuss hatten den Auftrag gehabt, in den kommenden zehn Jahren mindestens
- 1,2 Billionen Dollar (880 Milliarden Euro) der amerikanischen Schuldenlast abzubauen. Der Gesamtschuldenstand der Vereinigten Staaten ist mittlerweile auf über
- 15 Billionen Dollar (11,1 Billionen Euro) gestiegen. Die Republikaner stemmten sich bei den Verhandlungen gegen Steuererhöhungen. Die Demokraten lehnten Einschnitte in Sozialausgaben für Ältere und Arme ab, für die sie eine Steigerung der Abgaben der reichsten Amerikaner zur Bedingung gemacht hatten… Die Vereinbarung zwischen Präsident Barack Obama und dem Kongress über die Einsetzung des Superausschusses hatte verhindern sollen, dass
- automatische Haushaltskürzungen von einer Billion Dollar beim Militär und einer Reihe weiterer Institutionenvorgenommen werden…
Nach dem Scheitern der Einigung drohte Obama mit einem Veto gegen jeden Versuch, diese nun ab 2013 nötigen automatischen Kürzungen zu verhindern.
Gleichzeitig beschuldigte er die Republikaner, am Scheitern des Superausschusses schuld zu sein, da sie zu keinem Kompromiss bei den Steuern bereit gewesen waren. Tatsächlich ist es
- unklar, ob die automatischen Kürzungen jemals umgesetztwerden. Die Wahlen im kommenden Jahr könnten die politische Landschaft so verändern, dass eine der beiden Parteien ihre Pläne umsetzen kann… Der japanische Finanzminister Jun Azumi zeigte sich nach dem Scheitern enttäuscht. Die Märkte seien „sehr enttäuscht“, dass keine Einigung zur Reduzierung des Defizits erzielt worden sei, sagte Azumi am Dienstag. Die Finanzmärkte hätten
- Zweifel an der Fähigkeit der Politiker in Amerika und Europa, mit den ernsten wirtschaftlichen Problemen fertigzuwerden.“
faz.net
22.11.2011
Von CHRISTOPH HEIN
Präsident Obama mit der thailändischen Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra
„ Mit dem Gipfelmarathon der vergangenen Tage beginnt Amerika seine Rückkehr nach Asien.China als vorherrschende Territorialmacht gerät dabei spürbar unter Druck. Denn Südostasien erkennt, wie zuvor schon Indien, welche Chancen ihm eine größere Nähe zu Amerika bietet. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.
In den vergangenen Jahren hatten die Chinesen ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Süden der Region kräftig ausgebaut. Mit Entwicklungs- und Militärhilfe von Pakistan bis zu den Pazifikinseln, milliardenschweren Investitionsplänen und Abkommen zur Stabilisierung der Währungen sicherten sie sich die Rolle des willkommenen großen Bruders. Amerika konzentrierte sich in der Ära Bush auf den arabischen Raum. Damit scheint es vorbei…
- Amerika sucht den Schulterschluss mit Australien, Indien, Japan und Südostasien. Endlich erkennen die Amerikaner die Bedeutung der Wachstumsregion wieder.
- China, das über seinen Schatz amerikanischer Staatsanleihen enormen Einfluss auf die Vereinigten Staaten ausüben kann, nehmen sie weiterhin als Bedrohung wahr.
Gerade Südostasien ist immer stärker in die Einflusssphäre Chinas geraten. Ein Wunder ist das nicht, denn in Singapur, Malaysia, Thailand und auch der größten Volkswirtschaft der Region Indonesien bestimmen die Nachfahren eingewanderter Chinesen das Wirtschaftsleben.
Zudem belohnt Peking ihm zugewandte Länder: Der Bau von Infrastruktur bis hin zu Marinehäfen in Pakistan, Burma und auf Sri Lanka, die Militär- und Entwicklungshilfe für die Anrainerländer Indiens, jüngst der Bau der Botschaft auf den Malediven sprechen eine deutliche Sprache.
Amerika durchkreuzt die Pläne der Chinesen jetzt. Indien soll mit friedlicher Atomkraft ausgestattet werden. Australien wird auf seiner Asien zugewandten Nordseite mit amerikanischem Militär verstärkt. Indonesienerhält ausgediente Kampfflugzeuge der Amerikaner. Und den führenden Ländern des südostasiatischen Staatenbundes Asean sowie Japan wird über den Beitritt zur Transpazifischen Partnerschaft Freihandel mit Amerika angeboten.
Zugleich machen die Amerikaner den Chinesen unmissverständlich klar, dass sie deren angestrebte Vorherrschaft im Territorialkonflikt um das bodenschatzreiche Südchinesische Meer nicht länger dulden - und stärken damit einige Länder des Südostens, die Ansprüche anmelden.
Südostasien, Australien und Indien sind die Gewinner der Wende der amerikanischen Politik.
Bei allen Chancen, die Amerikas Aktionismus nun bietet, wäre es freilich naiv, zu glauben, dass der Pazifikraum vor einem Wechsel der Machtverhältnisse stünde. Asiaten sind erfahrene Händler.
- Sie heißen den zurückgekehrten Partner Amerika willkommen, ohne ihn auf Kosten Chinas vorziehen zu wollen.
- Gelingt es Amerika, Obamas Ankündigungen dauerhaft mit Inhalt zu füllen, hat das Asien jenseits Chinas künftig zwei Partner. Festlegen wird es sich nicht, sondern deren Stärke von Fall zu Fall zu nutzen wissen.
Wo bleibt angesichts dieser Konstellation Europa? Es muss aufpassen, in Asien nicht noch weiter hinter die pazifischen Mächte zurückzufallen. Chinas und Amerikas Gewicht stehen außer Frage. Japan darf in Asien nie abgeschrieben werden, es arbeitet mit bilateralen Freihandelsverträgen. Australien spielt seinen Einfluss über seine Rohstoffe aus. Die Europäer aber schicken Kanzler und Präsidenten auf Asienreisen, hoffen auf einen Großauftrag für ihren Eurofighter in Indien, ihre Unternehmen kämpfen sich voran - doch
- Europa braucht vor allem einen strategischen Ansatz für die Region. Derzeit gibt Europa in asiatischen Augen das Bild einer desolaten Region ab, die nur noch Nabelschau betreibt und als Eurozone vor dem Kollaps steht.“
Quo Vadis Europa?
Von Martin Wagener
Die strategische Aufmerksamkeit der USA richtet sich immer mehr auf den Fernen Osten.
„ Am 24. August 2011 hat das amerikanische Verteidigungsministerium seinen jährlichen Bericht zur Bewertung der militärischen Fähigkeiten Chinasveröffentlicht… China versuche, so das Pentagon, den USA langfristig denmilitärischen Zugang zum westlichen Pazifik zu verwehren. Erwähnt wird der
- Ausbau der U-Boot-Flotte. Auch gilt es gegenwärtig als sicher, dass Peking mittelfristig mehrere
- Flugzeugträger in Dienst stellen möchte. Offen hat die chinesische Regierung zudem jüngst zugegeben, eine
- ballistische Rakete zu entwickeln, die bewegliche Seeziele attackieren kann… Mit Japan wurde eine weitere Runde im
- Streit um die Senkaku-/Diaoyu-Inseln eröffnet, die Auseinandersetzungen mit Vietnam und den Philippinen um einzelne
- Inseln der Paracel- bzw. Spratly-Gruppe haben zugenommen. Mit den USA streitet China zudem darüber, ob in den
- nach UN-Seerecht ausgewiesenen ausschließlichen Wirtschaftszonen des Landes amerikanische Manöver und Aufklärungsmissionen durchgeführt werden dürfen…
Der sicherheitspolitische Diskurs in Ostasien ist durch diese Entwicklungen geradezu umgepolt worden. Die Stimmen der Bewunderung, die in den letzten Jahren mit der chinesischen „CharmeOffensive“ verbunden waren, werden leiser – und die Rufe nach einer verstärkten militärischen Präsenz der USA lauter. So wird in
- Südkorea diskutiert, ob US-Seekriegsmittel eine seit Anfang 2011 im Aufbau befindliche Marinebasis auf der südlichen Insel Jejuanlaufen dürfen (was nicht der Abschreckung Nordkoreas dienen würde!)
- Australien hat den amerikanischen Streitkräften zugesagt, den Kontinent stärker militärisch nutzen zu können.
- In Singapur sollen US-Kriegsschiffe stationiert werden, die für die Kriegführung in den Randmeeren besonders geeignet sind.
- Vietnam wiederum hat den USA die Rückkehr nach Cam Ranh Bay ermöglicht… Und um
- Japan zu beruhigen, hat die US-Regierung im Herbst 2010 darauf hingewiesen, dass der amerikanisch-japanische Sicherheitsvertrag von 1960 auch für die Senkaku-/Diaoyu-Inseln gelte. Die damit verbundene Warnung an China war nicht zu übersehen.
Wirtschaftliche Interdependenzen sind in Ostasien keine Garantie für Frieden. Wächst eine Ökonomie, nimmt ihr Bedarf an Rohstoffen und Energieträgern zu. Verknappen sich diese, kann es zu zwischenstaatlicher Konkurrenz kommen. Darauf werden Streitkräfte langfristig vorbereitet.
Die USA bauen daher ihre
- seegestützte Raketenabwehr aus, verfolgen das
- Projekt „Prompt Global Strike“ und dürften bald ein Konzept vorlegen, das unter der Bezeichnung
- „AirSea Battle“ firmiert. Es soll die amerikanischen Streitkräfte darauf vorbereiten, dauerhaft zur Durchsetzung des militärischen Zugangs im westlichen Pazifik in der Lage zu sein…
Erklärter potentieller Gegner: China. Die strategische Aufmerksamkeit der USA wird sich daher zunehmend vom Atlantik in den Pazifik verschieben. Dies zeigt sich auch an der Verteilung militärischer Fähigkeiten: Der 3. Flotte an der amerikanischen Westküste sind heute 39 von 71 U-Booten zugeordnet, darunter allein 8 von 14 strategischen U-Booten der Ohio-Klasse; sechs von elf Heimathäfen amerikanischer Flugzeugträger grenzen an den Pazifik. Peking, nicht länger Moskauoder die Al Qaida, bereitet dem Weißen Haus unruhige Nächte!
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